
Der im Jahr 2015 restaurierte Altar der Kreuzkirche vermittelt zwischen Erde und Himmel. Vom Grundprinzip ist er ähnlich strukturiert wie der fünf Jahre jüngeren Hochaltar der Stiftskirche (siehe dem). Natürlich ist er nicht so monumental gestaltet, wie dieser; füllt aber auch den ganzen Altarraum aus. Während im Hochaltar der Stiftskirche die Himmelfahrt Mariens die Verbindung zwischen Erde und Himmel ausfüllt, übernimmt in der Kreuzkirche der Opfertod Jesu diese Funktion. Direkt am Kreuz kniet die betende Maria Magdalena. Eine Ebene darunter, aber noch oberhalb des Altars, stehen die trauernde Gottesmutter links und der klagende Johannes rechts. Noch etwas tiefer, auf der Höhe des Altars, stehen außen Bernhard von Clairvaux (links) und Benedikt von Nursia (rechts). Für die rechte Figur wurden aber auch der Heilige Augustinus und der Apostel Jakobus der Ältere ins Gespräch gebracht, was allerdings ungewöhnlich und insgesamt auch nicht stimmig wäre.
Bernhard von Clairvaux (1090 – 1153) trat 1112 in das Reformkloster Citeaux ein, das den Regeln des Heiligen Benedikt besonders streng folgte. Drei Jahre später wurde er als Abt zur Gründung des Tochterklosters Clairveaux ausgesandt, dem er aber veränderte Statuten gab. Er reformierte das religiöse Leben seiner Zeit, war Berater der Päpste und rief zum Zweiten Kreuzzug auf. Seine mystische Frömmigkeit wurde zur Grundlage der abendländischen Mystik. In der Neuzeller Kreuzkirche steht er ergriffen neben der Kreuzigung. Er trägt eine Kutte mit dem Auge Gottes auf der Brust.
Benedikt von Nursia (480 – nach 547) wird häufiger zusammen mit Bernhard von Clairveaux dargestellt. Er lebte längere Zeit als Einsiedler, bevor er Haupt einer Mönchsgemeinde wurde. In Monte Cassino baute er eine Organisation von in Gemeinschaft lebenden Mönchen auf und schrieb seine Klosterregeln. Damit begründete er den ältesten westlichen Mönchsorden. In der Kreuzkirche trägt der bärtige Benedikt eine lange gegürtete Tunika und darüber eine Kukulle (Umhang mit weiten Ärmeln). Auf dem Kopf trägt er eine Mitra, die ihn als Abt ausweist. In seiner linken Hand hält er ein geöffnete Buch als Hinweis auf seine Ordensregeln.
Die Darstellung von Bernhard und Benedikt sind der große Unterschied zum Hochaltar der Stiftskirche. Dort repräsentieren zwei Kirchengründer (Petrus und Paulus), zwei Päpste (Clemens und Gregor) sowie zwei Beschützer (Hl. Florian und Hl. Georg) die christliche Kirche als Institution. In der Kreuzkirche wird hingegen auf die Institution der Klöster hingewiesen. Dies ist insofern interessant, da die Kreuzkirche eine öffentliche Pfarrkirche war, also eigentlich den Klosterregeln widersprach. Doch das Kloster Neuzelle besaß eine Ausnahmegenehmigung zur Seelsorge der Katholiken in der Region. Die Priester des Klosters durften in der Kreuzkirche eine öffentliche Seelsorge ausüben. Das Kloster übernahm hier also die Funktion der katholischen Kirche.
Arma Christi
Die Gegenstände, die mit der Leidensgeschichte Jesu (Gefangennahme, Verurteilung und Kreuzigung) zusammenhängen werden als Arma Christi oder auch als Passionswerkzeuge oder Passionsinstrumente bezeichnet. Insgesamt werden über 30 Leidenswerkzeuge gezählt, manchmal gehören auch die fünf Wundmale Christi (Stigmata) dazu. Die ältesten Darstellungen finden sich schon im 6. Jahrhundert. Ursprünglich wurden sie ganz im Sinne der Arma (Waffen oder Wappen) als Majestätszeichen Christi aufgefasst. Dies änderte sich im 12./13. Jahrhundert vermutlich durch die meditative Verehrung der durch die Kreuzzüge in den Westen gelangten Passionsreliquien. Sie wurden jetzt überwiegend als Zeichen des Leidens Jesu verstanden. Im Kapitelsaal des Klosters Neuzelle ist eine entsprechende Darstellung erhalten: Das Fresko aus der Mitte des 15. Jahrhunderts zeigt den leidenden Christus mit neben ihm aufgereihten Leidenswerkzeugen. Die Arma Christi demonstrieren hier die Unversalität des Leidens und stehen wohl in einem Zusammenhang mit dem Hussitenüberfall im Jahr 1429, bei dem alle Mönche des Klosters Neuzelle gefoltert und getötet wurden. Mit der Renaissance werden die Passionswerkzeuge dann wieder zum Zeichen des Triumphes über das Leid.
Auf dem Sims auf der linken Seite hält ein Engel die Leiter, die bei der Kreuzabnahme benutzt wurde. Ein Putto zeigt den Beutel mit den 30 Silberlingen, die Judas für seinen Verrat bekommen hat, und eine Rute, mit der Jesus geschlagen wurde. Darüber ist ein weiterer Putto zu sehen, der das Schweißtuch der Veronika präsentiert. Links vom Kreuz trägt ein Putto den Kelch als Hinweis auf das letzte Abendmahl. Das Kreuz mit der Aufschrift“INRI“ (Jesus von Nazareth Rex Judaeorum) zählt ebenfalls zu den Arma Christi. über dem Kreuz schwebt links ein Putto mit dem Hammer als Zeichen der Kreuzigung und der Zange als Zeichen der Kreuzabnahme. In der Mitte sind drei Würfel aufgestellt, die darauf verweisen, dass die Soldaten um den Mantel Jesu gewürfelt haben. Rechts daneben ist eine Fackel zu sehen, die bei der nächtlichen Gefangennahme Jesu benutzt wurde. Auf der rechten Altarseite hält ein Putto einen eisernen Handschuh als Hinweis auf die Schläge, die Jesus von den römischen Soldaten ertragen musste. In der rechten Hand fasst er einen Stab, auf dem der Essigschwamm steckt. Ein goldener Hahn verweist auf die Prophezeiung Jesu, dass Simon Petrus ihn verleugnen werde, bevor der Hahn dreimal kräht. Ein weiterer Putto trägt Kanne und Schüssel, die auf die Handwaschung des Pontius Pilatus verweisen. Ganz rechts ist ein zweiter Engel zu sehen, der eine Martersäule und ein Schwert zeigt. Das Schwert verweist auf Simon Petrus, der bei der Gefangennahme Jesu einem Tempelwächter damit das Ohr abschlug.
Maria Magdalena, die unter dem Kreuz kniet, hat ein Salbgefäß an ihrer Seite. Mit dem Grabtuch umfasst sie das Kreuz.
Weitere Arma Christi, die im Kreuzaltar nicht vorkommen: Lanze, Spottzepter, purpurner Mantel, Heilger Rock, Gefäß für mit Galle vermischtem Wein, Felsengrab (oder Sarkophag), Stricke oder Ketten, Augenbinde und Köpfe, die Jesus verspotten.
Unter dem Kreuz ist ein weiteres wichtiges Symbol zu sehen: Der Schädel Adams, der auf die Erlösung des von Adam abstammenden Menschengeschlechts durch den Opfertod Jesu hinweist. Adam gehörte auch zu den Menschen, die Jesus nach seinem Tod aus der Hölle befreite.

Dreifaltigkeit
In der Mitte des Kreuzaltars befindet sich über dem Altartisch (und den zwei von Putten getragenen Leuchtern) der Tabernakel und darüber die Kreuzdarstellung mit dem sterbenden Jesus. Sein Opfertod besiegelt den Neuen Bund, den Gott mit den Menschen geschlossen hat. Deshalb führt der Altar noch weiter nach oben in das Gewölbe des Altarraumes hinein. Über dem Gekreuzigten schwebt die Taube als Symbol des Heiligen Geistes vor einem Strahlenkranz (Aureole). In allen vier Evangelien wird berichtet, dass bei der Taufe Jesu der Geist Gottes in Gestalt einer Taube erschienen ist. In der Krümmung des Gewölbes schwebt Gottvater, der damit die Dreifaltigkeit komplettiert. Er besitzt eine dreieckige Aureole und hält Weltkugelkreuz und Zepter in seiner linken Hand. Mit der rechten Hand weist er auf den Opfertod seines Sohnes hin. Putten und geflügelte Puttenköpfe umschweben ihn. Dies ist ein ungewöhnlicher Platz für die Gottesfigur, macht aber Sinn, da Gott nun direkt über dem Altar platziert ist und gleichzeitig zwischen Altar und Kuppelfresko vermittelt. Denn im Kuppelfresko ist der katholische Himmel dargestellt.