Ansicht des Klosters um 1655
Früh nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges ließ Abt Bernhard von Schrattenbach eine Erneuerung der Stiftskirche im Stil der Zeit vornehmen. Dies war sicherlich als ein Neuanfang gedacht, da der lange Konfessionskrieg nicht nur schwere Schäden und emotionales Leid gebracht hatte sondern für Neuzelle (bzw. die Niederlausitz) 1635 auch den Verkauf an das Kurfürstentum Sachsen. Auf einem der Deckenfresken der Stiftskirche ist das Kloster Neuzelle im Zustand von um 1655 zu sehen. Sinnfälligerweise in dem Fresko, dass die Grablegung Jesu zeigt. Genau wie Jesus den Tod überwinden konnte, hatte auch das Kloster Neuzelle die Schrecken des Krieges überstanden.

Das Fresko zeigt, dass die erste barocke Umbauphase das mittelalterliche Erscheinungsbild der Klosteranlage noch nicht veränderte. Die Neuerungen betrafen neben den Fenstern der Stiftskirche eigentlich nur die neue Decke unterhalb des spätgotischen Gewölbes und die oberen Wandabschnitte (Kapitellzone). Die Zwischendecke sollte sicherlich die Ausmalung mit den Fresken ermöglichen (Schaffung von Bildflächen). Es ist davon auszugehen, dass unterhalb der neuen Fresken und Stukkaturen die vorhandene Ausstattung erhalten blieb. Da zunächst auch noch keine Anbauten (Chor, Vorhalle und Josephskapelle) erfolgten, besaß die erste barocke Ausstattung einen ganz anderen Charakter, als nach der zweiten barocken Umbauphase etwa ein Jahrhundert später.
Das Deckenfresko der Klosteranlage lässt sich auf einen Grundriss übertragen, der allerdings in einigen Details vage bleibt.

Die zweitälteste Ansicht der Neuzeller Zisterze wurde um 1655 von Nordwesten angefertigt. Sie zeigt das Kloster in seiner mittelalterlichen Backsteinsichtigkeit. Die Stiftskirche überragt alle anderen Gebäude deutlich. Die Ost- und Westfassaden sind (genauso wie die Nordfassade des östlichen Kreuzgangflügels) mit hohen Filialen versehen. Der Kirchturm ist mit Zinnenkranz und kleiner Zelthaube bekrönt. Deutlich ist das Ziffernblatt einer Turmuhr zu sehen. Das hohe Satteldach ist auf der Nordseite über den südlichen Kreuzgangflügel herunter gezogen. Dies hängt möglicherweise mit dem alten Wendelstein zusammen, der neben der Alten Sakristei bestand. Der Ostflügel des Kreuzgangs ragt über den Nordflügel hinaus. Der Westflügel endet hingegen vor dem Nordflügel. Hier stehen in der Flucht des Westflügels zwei niedrigere Gebäude. Der Nordabschluss des Westflügels ist mit einem Walmdach versehen; alle übrigen Gebäude tragen Satteldächer.
Im Obergeschoss des Westflügels sind viele kleine Fenster zu sehen, die auf das Dormitorium der Konversen hinweisen. Ähnlich dürfte das Dormitorium der Chormönche im Ostflügel gestaltet gewesen sein. Im Erdgeschoss des Westflügels gibt es große spitzbogige Fenster und mittig einen Eingangsvorbau. Ansonsten sind rechteckige und quadratische Fensteröffnungen in den Gebäuden zu erkennen. Die Nordfassade des Ostflügels besitzt im Obergeschoss ein breites spitzbogiges Fenster mit Maßwerk. Das Walmdach des nördlichen Westflügelgebäudes weist vier Öffnungen auf, die eventuell als Taubenhaus gedeutet werden könnten.
Vor dem mittleren Bau des Westflügels ist ein schmales Torhaus eingezeichnet, dass bis zu Umfassungsmauer reicht und damit den Wirtschaftshof nach Süden abgrenzt. An der Nordseite des Wirtschaftshofes ist ein Gebäude mit rauchendem Schornstein zu erkennen. Da es einen westlichen Vorbau besitzt, der ebenfalls einen Schornstein aufweist, ist es als Backhaus bzw. Küchenhaus zu interpretieren. Der Wirtschaftshof ist als ebene Fläche gemalt. Es ist anzunehmen, dass sich hier ein Küchengarten befand. Die Topografie ist hier in Wirklichkeit stark abfallend.
Unklar ist die Funktion eines quadratischen Turms mit Kegeldach, der nordwestlich vor der Stiftskirche steht. Zwischen Turm und der Südwestecke der Klausur befindet sich eine Mauer mit Tor.
Auf dem Fresko ist die hohe Umfassungsmauer des Klosters gut zu erkennen. Sie weist mehrere schmale Türme mit Walmdächern auf. An der Westseite gegenüber der Kirche befindet sich ein breites Torhaus. Der Weg davor führt über eine Brücke, die mit einem Schlagbaum versehen ist. Der Bach, der hier überbrückt wird, treibt eine Wassermühle an. Das Mühlengebäude ist ein Fachwerkbau mit Walmdach. Es ist anzunehmen, dass zusätzlich zu der noch bestehenden Mühle an der Westseite des Klosterteiches eine zweite Mühle direkt am Kloster bestand. Etwa am Platz der heutigen Klosterklause. Darauf deutet jedenfalls der Graben, der östlich am Klosterteich entlang führt. Der westlich am Klosterteich angelegte Mühlengraben versorgt die noch bestehende Mühle. Der östliche Graben markiert aber auch den Rechtsbezirk des Klosters. Auf dem Fresko ist hier ein hölzerner Zaun zu erkennen.
Südlich der Klosterkirche sind zwei weitere Wirtschaftsgebäude auszumachen. Ein kleineres Fachwerkhaus besitzt einen Kamin und könnte vielleicht als Schmiede oder Werkgebäude genutzt worden sein. Der Südzugang des Klosters ist nicht zu erkennen. Ansatzweise ist die Böschung des Weinberges („Scheibe“) zu sehen. Es hat den Anschein, als wäre der heutige Stiftsplatz vor dem barocken Umbau wesentlich kleiner gewesen. Auf dem Fresko beginnt die Böschung recht nah an der Stiftskirche. Hier sind leicht erhöht zwei Bäume und zwei Kreuze eingezeichnet, die auf den Obstgarten und den Friedhof des Klosters verweisen. Allerdings muss gerade im Randbereich des Freskos mit malerischen Verkürzungen gerechnet werden.
(Vgl. Winfried Töpler: Alte Ansichten von Neuzelle, in: Winfrid Töpler (Hrsg.): Neuzeller Studien, Heft 3, 2013, 75-138, hier 80-82).