Benediktus-Altar

Benedikt von Nursia (480-547) gründete 529 in Monte Cassio den Ordo Sancti Benedicti und damit den ältesten westlichen Mönchsorden. Fast alle Darstellungen des Heiligen Benedikt gehen auf die Vita „Leben und Wunder des Heiligen Benedikt“ zurück, die Papst Gregor I. (vor 550 – 604) verfasste. Auf dem Tafelbild des Benediktus-Altars ist der Tod des Benedikt zu sehen. Der Legende nach starb er stehend, von seinen Schülern gehalten. Auf der rechten Bildseite verweist ein Mönch auf Psalm 116,15: „Pretiosa in conspectu Domini…“ (Der Tod seiner Heiligen ist wertgehalten vor dem Herrn). Dieselbe Person ist auch auf dem Tafelbild des Bernardus-Altars zu sehen.
Der Heilige Benedikt verfasste eine Regula monachorum, die in 73 Kapiteln das innere und äußere Leben der in Gemeinschaft lebenden Mönche bestimmt. Während des 7. und 8. Jahrhunderts nahmen mehr und mehr Klöster (vor allem in Irland und Gallien) diese Regel an. Karl der Große schrieb die Benediktinerregel im Frankenreich allen Klöstern vor. Im 10. und 11. Jahrhundert setzte sie sich schließlich in allen westlichen Klöstern durch und wurde zur Grundlage der mittelalterlichen Klosterkultur. Nach der Regel soll jedes Kloster ein treues Abbild einer wahrhaft christlichen Familie sein. Die Mönche schulden dem Abt als Hausvater kindlichen Gehorsam. Sie verpflichten sich immer in einem einmal gewählten Kloster zu bleiben, ein sittenreines Leben zu führen und gehorsam zu sein. Das Ziel der christlichen Vollkommenheit soll durch Gebet und Arbeit (ora & labora) erreicht werden.
Auf der rechten Seite steht der Heilige Placidus (? – um 540), ein Schüler Benedikts. Er hält, wie auch die anderen Figuren, einen Abtsstab. Er ist der erste Märtyrer des Ordens der Benediktiner, da er von Seeräubern ermordet wurde. Der Putto an seiner Seite hält deshalb zahlreiche Waffen in der Hand. Ein weiterer Weggefährte des Heiligen Benedikt steht auf der linken Seite: Maurus von Glanfeuil (um 500 – 584) brachte die Regeln des Heiligen Benedikt nach Gallien. Der Putto, der an seiner Seite sitzt, hält ein Medaillon, das im Relief den Heiligen Maurus mit einem Kind zeigt.
Außen steht rechts der Heilige Benno (1010 – 1106), Bischof und Patron des Bistums Meißen (auch Patron Bayerns, da seine Reliquien in die Münchner Frauenkirche kamen). Sein Attribut ist der Fisch, der von einem Putto gehalten wird. Links ist der Heilige Martin von Tours (316/17 – um 400) aufgestellt. Sein intensiver Einsatz für Arme und für Kinder wird durch einen Bettler-Jungen ausgedrückt, der ihm zu Füßen sitzt. In der Hand hält Martin Münzen, die er dem Jungen geben möchte.
In der Altarkrönung sehen wir in der Mitte den Heiligen Benedikt im Gespräch mit einem Engel. An den Seiten sind zwei Reformer seines Ordens dargestellt. Links der Heilige Odilio von Cluny (962 – 1048), der ein Medaillon in der Hand hält. Es zeigt die armen Seelen, die im Fegefeuer den gekreuzigten Jesus sehen. Der heilige Odilio schuf die große kluniazensische Reform, die auf die ganze Kirche Auswirkung hatte. Rechts der Heilige Robert von Molesme (? – 1110). Auch er hält ein Medaillon. Dieses zeigt das Jesuskind im Arm von Maria, das ihm einen Ring reicht. Um streng nach den Regeln des Heiligen Benedikt leben zu können, gründete der Heilige Robert den Orden der Zisterzienser.
Bekrönt wird der Altar mit einem hinterleuchteten Auge Gottes, einer beliebten Darstellung des 18. und 19. Jahrhunderts. Es symbolisiert die Dreifaltigkeit in ihrer Allgegenwart und Allwissenheit.
Bernardus-Altar
Benediktus-Altar und Bernardus-Altar sind gleich aufgebaut: Über dem Altartisch befindet sich ein hohes Tafelbild. Links und rechts flankieren jeweils zwei gedrehte Säulen eine einfache Säule. Alle Säulen haben ein vergoldetes korinthisches Kapitell. Vor den Säulen stehen auf jeder Seite zwei Heiligenfiguren, zu deren Füßen Putten und Kinder mit den Attributen der Heiligen sitzen. Die Altarkrönung über den Säulen besteht aus einem geschwungenen Gebälk, auf dem mittig der Altar-Heilige mit einem Engel bzw. Maria sitzen. Rechts und links auf den Ecken ist jeweils der Torso einer weiteren heiligen Person platziert. Ganz oben schwebt in einem Strahlenkranz ein aufwendig gestaltetes Auge Gottes. In der Renaissance übernimmt die sakrale Kunst das Bildzeichen eines einzelnen Auges, das für Gott selbst steht, von den Humanisten. Ist dieses Auge in ein Dreieck gestellt, wird es zum Symbol der Dreifaltigkeit in ihrer Allgegenwart und Allwissenheit. Das Auge Gottes fand insbesondere im 18. und 19. Jahrhundert weite Verbreitung. Nicht nur in religiösen Zusammenhängen sondern auch im profanen Bereich (z. B. auf Münzen und Geldscheinen). Auch die Freimaurer nutzen das Auge Gottes als kennzeichnendes Symbol (Gott ist der Baumeister der Welt).
Bernhard von Clairvaux (1090 – 1153) steht neben Robert von Molesme und Stephan Harding am Beginn des Zisterzienserordens. Dieser Orden entstand zu dem Zweck, die Benediktinerregeln strenger einzuhalten, als es die Benediktiner im 12. Jahrhundert selbst taten. Im Jahr 1112 trat Bernhard in das Reformkloster Citeaux ein und wurde von dort aus 1115 als Abt zur Gründung des Klosters Clairvaux ausgesandt. Auf seine Initiative folgten weitere Tochtergründungen (bis zu seinem Lebensende 67). Zudem reformierte er zusammen mit Stepahn Harding die Statuten des Zisterzienserordens (Charta caritatis) und nahm starken Einfluss auf das religiöse Leben seiner Zeit, das durchaus von Widersprüchen geprägt war. Während Bernhard auf der einen Seite die Askese als wesentliches Element des religiösen Lebens verstand, unterstützte er andererseits den Tempelorden, obwohl dieser bald zu großem wirtschaftlichen Einfluss und Vermögen kam und der zisterziensischen Innerlichkeit fern stand. Dies lässt sich nur aus dem Geist der Kreuzzugsbewegung erklären, die Bernhard durch aufrüttelnde Predigten befeuerte (Aufruf zur 2. Kreuzfahrt 1147-49).
Das Tafelbild zeigt ein häufiges Motiv der Bernardus-Ikonografie nördlich der Alpen: Die Umarmung des am Kreuz hängenden Jesus (Amplexus). Dieses Bildmotiv erscheint seit dem 15. Jahrhundert vor allem in der Druckgrafik und wird in den Schriften der katholischen Konfessionalisierung ausdrücklich hervorgehoben.

Der Altar wird flankiert vom Heiligen Stephan Harding (links) und dem Heiligen Alberich (rechts). Stephan Harding (1059 – 1134) ging von Molesme zusammen mit dem Heiligen Robert (siehe Benediktus-Altar) nach Citeaux, wo er der dritte Abt dieses Klosters wurde. Er war der wesentliche Verfasser der neuen Ordensstatuten Charta caritatis. Alberich von Citeaux (? – 1109) war Mitbegründer des Zisterzienserordens und ab 1099 zweiter Abt des Klosters Citeaux. Auch er wirkte an Ordensreformen mit und führte das weiße Gewand der Zisterzienser ein.
An den Außenseiten stehen der Heilige Dionysius (links) und der Heilige Augustinus (rechts). Die Heiligenlegende des Dionysius von Paris (3. Jahrhundert) ist verwickelt und zum Teil unklar. Nach den ältesten Quellen war er Apostel Galliens und erster Bischof von Paris. Er wurde zusammen mit zwei Weggefährten (Rustikus und Eleutherius) enthauptet. An seiner Begräbnisstelle entstand später das Kloster St. Denis. Der Putto zu seinen Füßen hält den abgetrennten Kopf des Heiligen auf einem Teller. Ähnliche Darstellungen kennen wir von Johannes dem Täufer. Augustinus von Hippo (354 – 430) war ein bedeutender Kirchenvater und Theologe, der das klösterliche Gemeinschaftsleben propagierte. Es gibt zahlreiche Bildnisse von ihm. Mit einer durch die Jahrhunderte ausgebildeten Vielfalt an Augustinus-Darstellungen wächst auch die Vermehrung seiner Heiligenattribute. Hier ist er mit einem entflammten Herzen als Verweis auf seine Liebe zu sehen. Aus verschiedenen Schriften des Augustinus (Confess. III 6,10; Confess. IX 2,3; De Trinit. 8,8; Epistola 192, 1f.) geht hervor, dass im Herz-Attribut die ganze Gottes- und Wahrheitssehnsucht, aber auch Streben und Hingabe dem Nächsten gegenüber offenbart wird. Das Herzsymbol, das im Kloster Neuzelle an mehreren Stellen zu sehen ist, verweist also auf eine enge Verbindung zu Gott und zu den Nächsten. Der Augustinus beigestellte Putto trägt eine Fackel in der Hand. Die Fackel ist in der christlichen Ikonografie negativ besetzt aufgrund der antiken Symbolik der umgekehrten Fackel für den Tod. Unter den Passionswerkzeugen kommt die Fackel als Hinweis auf die nächtliche Gefangennahme Jesu vor. Im Bernhardus-Altar dürfte die Fackel hingegen als Symbol des Lichtes gewertet werden. Das Licht ist die Erscheinungsform des Göttlichen schlechthin.
In der Mitte der Altarkrönung ist das zweite hauptsächliche Bildmotiv des heiligen Bernhard dargestellt: Die Erscheinung Marias. Bernhard kniet betend auf der rechten Seite. Auf Wolken schwebend erscheint ihm Maria mit dem Kind. Ein Putto reicht Bernhard den Abtsstab und setzt ihm die Mitra auf den Kopf.

Die beiden heiligen Frauen an den Ecken des Gebälks stellen die Heilige Luitgard (links) und die Heilige Juliana (rechts) dar. Die streng asketisch lebende Nonne Luitgard von Tongern (1182 – 1246) wurde von den Zisterziensern als Mystikerin verehrt. Allerdings wird keine ihrer Visionen gezeigt. Stattdessen ist sie mit einem Abtissinnenstab und einem aufgeschlagenen Buch zu sehen. Juliana von Lüttich (um 1191 – 1258) war Priorin des Cornillon-Klosters zu Lüttich. Zum Rücktritt gezwungen zog sie sich als Einsiedlerin zurück. Zusammen mit Eva von Lüttich stiftete sie das Fronleichnamsfest. Entsprechend ist sie in Neuzelle mit Abtissinnenstab und einer Monstranz dargestellt.
Das so genannte Festum corporis geht auf eine Vision der Heiligen Juliana von Lüttich zurück. Es wurde als Prozessionsfest zum ersten Mal 1246 in Lüttich begangen. Papst Urban IV. bestimmte 1264 den Donnerstag nach der Pfingstwoche zum Fronleichnamsfest. Das Fest war Ausdruck gesteigerter Sakramentsfrömmigkeit im 13. und 14. Jahrhundert. Dabei ging es vor allem um die Bluthostien, die mit dem Verbleib des ausströmenden Blutes Jesu am Kreuz (Lk. 23 und Joh. 19) in Zusammenhang stehen. Noch heute gehört das Fronleichnamsfest zu den Höhepunkten des römisch-katholischen Kirchenjahres.
Den besonderen Charakter erhielt Fronleichnam durch die Prozession, die zum Ende des Osterfestkreises den christlichen Lebensvollzug, das gläubige Wallen symbolisiert. („Es begleitete ihn auf dem Weg das Volk in großen Scharen“ Lk 14,25). In Gestalt der geweihten Hostie wird Christus selbst durch Stadt, Flur und Wald geführt. Der realpräsente Gott wird sichtbar, er verlässt das „fanum“ (lat. Tempel) und durchzieht das „profanum“. Zu diesem Zweck entstand die Monstranz, ein spezielle Schaugefäß (Ostensorium) mit halbmondförmigem Schiffchen (Lunula), in das die Hostie eingesteckt wird. Das Konzil von Trient (1545 – 1563) bestätigte das Fronleichnamsfest, das nun einen demonstrativen Akzent bekam: Mit großem Aufgebot und Aufwand zeigten die Katholiken ihren Glauben.
Auch der Bernardus-Altar wird von einem Auge Gottes bekrönt, der hinterleuchtet in einem von Putten bevölkerten Strahlenkranz schwebt.
