Die Nebenaltäre der Stiftskirche

stiftskirche

In der zweiten barocken Bauphase zwischen 1730 und 1740 wurde der Kirchenraum der Stiftskirche unter anderem mit dem Hauptaltar in einem neu errichteten Choranbau, sowie acht Nebenaltären, der Kanzel und dem Tauf-Altar ausgestattet. Die Nebenaltäre, die Kanzel und der Tauf-Altar stehen vor den achteckigen Säulen der spätgotischen Hallenkirche. Sie sind paarweise zusammen gestellt und in dramaturgischer Reihenfolge zum Hochaltar hin gestaffelt. Den inhaltlichen und gestalterischen Höhepunkt bildet dabei das Paar aus Kanzel und Tauf-Altar. Beide sind aufwendig aus Holz gearbeitet, reich mit Figuren und Ornamenten geschmückt und höher als die übrigen Altäre. Daraus ergibt sich der interessante perspektivische Effekt, dass der Weg zum Hochaltar länger wirkt, als er in Wirklichkeit ist. Zudem steht dem Hochaltar ein wirkungsvolles optisches „Gegengewicht“ in der Mitte des Kirchenraumes zur Seite. Die Aufstellung der Altäre kann durchaus mit dem Aufbau einer barocken Theaterbühne vergleichen werden. Die Altäre übernehmen hierbei die Funktion von Kulissenebenen, die verschiedenen heiligen Personen einen glanzvollen Auftritt ermöglichen. Der barocke Grundgedanke, dass die ganze Welt eine Bühne ist, wird hier bedient.

„Es schafft der Bildner sinnend sein Gebilde,
die eigenen Gedanken lebendig dran ins Licht emporzuranken.
Aus eig’ner Macht bereiten will ich mir ein Fest.
Zu allen Zeiten meine Kraft und Herrlichkeit zu preisen,
wird die Natur sich festlich mir erweisen.
Und da vor allen Festen, an würd’gem Schauspiel sich am allerbesten
die Geister kräftigen und heben
und nur ein Spiel ist alles Menschenleben,
so mag auf deinen Auen der Himmel auch ein Schauspiel heute schauen.
So hab‘ ich denn die Menschen als die tüchtigsten erkoren,
die in gemessenen Weisen auf den verschiedenen Erdenkreisen
des Welttheaters wacker spielen sollen.
Ich selbst verteil‘ die Rollen nach eines jeglichen Natur und Richtung.
Doch dass des Festes Dichtung, wie sich’s gebührt, ergötzlich blende,
so rüste du verschwenderisch und behände
den holden Schein, dass jeder Wirkliches zu schauen meine.
Und nun ans Werk! Derweil ich dirigiere,
Sei du die Bühne und der Mensch agiere.“

(Pedro Calderón de la Barca: Das große Welttheater, um 1630, Version Salesch)

Ganz im Sinne der Beschlüsse des Konzils von Trient und der Entwicklung der Katholischen Konfessionalisierung ist die Neuzeller Stiftskirche als Theatrum Sacrum aufgebaut. Diesem künstlerischen Aspekt steht aber auch ein theologischer Grundgedanke zur Seite. In der Stiftskirche des Klosters Neuzelle wird der Weg der religiösen Erkenntnis dargestellt. Im westlichen Teil des Kirchenraumes, der für die Laienbrüder (Koversen) vorbehalten war, stehen vier Nebenaltäre, die verschiedenen Heiligen gewidmet sind; Personen, die aufgrund ihrer christlichen Gesinnung und ihres beharrlichen Eintretens für den christlichen Glauben verehrt und als Fürsprecher bei Gott angerufen werden. Genau wie die oben auf den Säulen aufgereihten Apostel helfen die Heiligen allen Christenmenschen, ein gottgefälliges Leben zu führen. In der Mitte des Kirchenraumes stehen Kanzel und Tauf-Altar, die das Wort Gottes (die Verkündigung) und die Taufe (das Bekenntnis) repräsentieren. Eine weitere Vierergruppe von Nebenaltären steht im westlichen Teil der Stiftskirche, die den Chorbrüdern vorbehalten war. Sie sind Jesus und Maria geweiht, den wesentlichen Bezugspersonen der christlichen Kirche. Der Hauptaltar, der im Prinzip den gesamten Chorraum einnimmt, vereint den theologischen Grundgedanken in einem imposanten Gesamtbild, das alle Protagonisten noch einmal zusammenführt und die religiöse Erkenntnis am Beispiel der Emmaus-Geschichte (die Jünger erkennen Jesus) vorstellt. In großer Komplexität wird in der Neuzeller Stiftskirche christliche Theologie künstlerisch inszeniert.

Die Stifter-Altäre

Die Stifter-Altäre in der ersten Altarreihe sind relativ schlicht gestaltet. Das Gebälk und der darüber befindliche Altarauszug ruhen auf einfachen Wandpfeilern (Pilastern) mit Kapitellen und schneckenförmigen Auswölbungen (Voluten). Der Stuckmarmor ist in gedämpften Grau-, Grün- und Rosatönen gehalten. Kapitelle, Rahmungen und plastische Ornamente sind mit Blattgold belegt. Neben den Heiligenfiguren sind nur wenige Putten und Puttenköpfe zu sehen. In der zentralen Achse sind unten ein ovales Tafelbild und im oberen Altarauszug ein kleineres, geschwungenes Tafelbild angebracht.

Anna-Altar

Anna-Altar
Anna-Altar
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Anna-Altar, Tafelbild

Die Heilige Anna ist auf dem ovalen Tafelbild von Josef Felix Seifrit (durch Signatur mit der Jahreszahl 1748 als Maler nachgewiesen) in einer für sie typischen Szene bei der Unterrichtung ihrer Tochter dargestellt. Maria hat ihre Stirn liebevoll gegen die Stirn der Mutter gedrückt und reicht ihr ein geöffnetes Buch. Hinter den beiden Frauen haben sich ein paar Engel versammelt, die den Unterricht aufmerksam verfolgen. Auch das Licht ist auf Maria und Anna gerichtet. Auf der linken Bildseite ist Annas Gatte Joachim als einsamer Hirte mit Hirtenstab zu sehen, der von der Gruppe um Anna und Maria deutlich getrennt ist. Hinter ihm sind eine Allee und Gebäude zu erkennen, die in ihrer Art der Gartenkulisse der Neuzeller Passionsdarstellungen (ebenfalls von Seifrit gemalt) ähneln. Oberhalb von Anna und Maria ist eine Erscheinung angedeutet, die sich in einem blauen Tuch enthüllt und zu der Joachim etwas erschrocken aufblickt: Eine nackte Frau als Darstellung der Immaculata, der Erwählung Mariens im Mutterleib als von der Erbsünde befreit.

Stammlinie Jesu
Stammlinie Jesu

Im Auszug des Anna-Altars ist ein Tafelbild mit der Stammlinie Jesu platziert. Es zeigt König David, der mit seiner Harfe auf einem roten Bettkissen liegt. Aus seinem Herzen wächst die Wurzel Jesse, die mit den Namen seiner männlichen Nachkommen versehen ist. Vor ihm ist ein Buch ausgebreitet mit der Beschriftung. „Liber Generationis Jesu Christi Filii David &ec: Matth. I V: 1-16“ Die Stammlinie bezieht sich also auf die Auflistung bei Matthäus und reicht von Jesus bis David (28 Personen). Die Generationenfolge von David bis Abraham (weitere 14 Personen) wurde weg gelassen. Hinter König David ist eine dreieckige Form zu erkennen, die eine Pyramide vorstellen könnte. An ihrer Spitze ist Jesus abgebildet. Auf der rechten Bildseite sind die Stammväter bis zur Zeit des Babylonischen Exils 597-539 v. Chr. aufgelistet: David-Salomon-Roboam-Abias-Asa-Josaphat-Joram-Ozias-Joatha-Achaz-Ezechias-Manasses-Amon-Josias. Auf der linken Bildseite folgen die jüngeren Stammväter: Jechonias-Salathiel-Zorobabel-Abiud-Eliazim-Azor-Sadoc-Achim-Eliud-Eleazan-Mathan-Jacob -Joseph und schließlich Jesus.

 

Der Anna-Altar wird flankiert von zwei barmherzigen Frauen: Hedwig von Schlesien rechts und Elisabeth von Thüringen links. Hedwig von Andechs (1174-1243) war die Gattin des Piastenherzogs Heinrich von Schlesien. Entsprechend ist sie mit einem Herzogs-Hut dargestellt. Sie führte ein asketisches Leben und sorgte sich intensiv um Arme, Kranke und Hilfsbedürftige. Ihre Unterstützung bei der Gründung des Zisterzienserklosters Trebnitz wird in Neuzelle durch ein Modell der Klosterkirche zu Füßen der Heiligen unterstrichen. Ihre Nichte Elisabeth von Thüringen (1207-1231) war die Tochter König Andreas II. von Ungarn und Gemahlin Ludwigs von Thüringen, der 1227 auf dem Kreuzzug starb. Elisabeth engagierte sich in Marburg vor allem in der Krankenpflege. Ihre Barmherzigkeit wird durch ein Brot angedeutet, dass sie in ihrer rechten Hand hält.

Antonius-Altar

Antonius-Altar
Antonius-Altar

Antonius Altar

Der andere Stifteraltar ist dem Heiligen Antonius von Padua (1195-1231) geweiht. Nach einem Theologiestudium widmete sich der aus Lissabon stammende Antonius der Mission und der Predigt. Dabei nahm er wie viele seiner Zeit Anstoß an der Verweltlichung der Kirche, zunehmenden sozialen Konflikten und den vielen politischen Machtkämpfen. Allerdings suchte er nicht den gesellschaftlichen Umsturz, sondern eine Reform der Kirche von innen heraus durch die Macht des Gebets und des tätigen Beispiels. Auf dem Tafelbild ist er als Mönch in einer für ihn typischen Szene bei der Anbetung Mariens und Jesu dargestellt. Joseph und einige Engel umrahmen die Gruppe, über der geflügelte Puttenköpfe schweben. Im Hintergrund ist eine Landschaft mit Kirche und auf der rechten Seite ein Raum mit einem Buch und wahrscheinlich einem Schatzkästchen als Anspielung auf die Wundertaten des Antonius zu erkennen.

Franziskus
Antonius-Altar, Franziskus von Assisi

Das Tafelbild auf dem Auszug des Altars zeigt den Heiligen Franziskus von Assisi (1182-1226), der die gleichen Ziele wie Antonius verfolgte, nämlich „unseres Herrn Jesu Christi heiliges Evangelium zu beobachten durch ein Leben in Gehorsam, ohne Eigentum und in Keuchheit“ (Ordensregeln der Franziskaner 1223). Das Bild zeigt das Auftreten der fünf Wundmale Christi bei Franziskus (Stigmatisation).

Die beiden Figuren am Antonius-Altar stellen zwei Ordensgründer dar: Papst Petrus Cölestin V. (1215-1296) erscheint als Mönch mit Schlüssel und abgelegter Tiara. Im Jahr 1294 hatte er nach nur einem halben Jahr (nicht ganz freiwillig) die Papstwürde abgelegt und stand bis zu seinem Tod bei seinem Nachfolger Bonifatius VIII. in Haft. (Nur er und Benedikt XVI. sind vom Amt des Pontifex Maximus zurück getreten.) Vor seinem Papstum war Petrus Cölestin als Einsiedler, Prior und Abt tätig. 1244 gründete er den Coelstinerorden.

Auch Bruno von Köln (um 1031-1101) ist als Mönch dargestellt. Nach seinem Theologiestudium hat er ein asketisches Leben als Einsiedler geführt. 1084 gründete er den Kartäuserorden. Dessen Wahlspruch lautet: „Das Kreuz steht fest, während die Welt sich dreht“. Entsprechend hält Bruno ein Kreuz im Arm und blickt nachdenklich auf einen Totenschädel.

Die zweite Altarreihe ist etwas aufwendiger gestaltet. Gebälk und Auszug werden von gedrehten Säulen getragen. Die Anzahl an Putten und Engeln ist deutlich größer. Reliefs geben zusätzliche Darstellungen. Über den Auszügen erhebt sich jeweils ein goldener Stern. Die beiden Altäre sind höher als die Stifter-Altäre der ersten Altarreihe und vermitteln so zur Kanzel und zum Tauf-Altar, die noch ein Stück höher sind. Farblich sind die Beharrlichkeitsaltäre in Grau, Rosa und Schwarz gehalten. Bilderrahmen, Kapitelle und plastische Ornamente sind mit Blattgold belegt. Allerdings sind die Bilderrahmen schlichter gehalten, als bei den Stifteraltären. Es wurde hier die Bezeichnung Beharrlichkeitsaltäre gewählt, da sich die hier präsentierten Heiligen durch ihre Standfestigkeit (vor allem gegenüber den Herrschenden und der Staatsmacht) hervorgetan haben. Im Verkündigungs-Altar stehen mit der heiligen Agnes und der heiligen Caecilia zwei Frauen im Fokus, die sich fest zum christlichen Glauben bekannt haben; im Johannes-Nepomuk-Altar drei Theologen, die für die Freiheit und Unabhängigkeit der Kirche eingetreten sind.

Verkündigungs-Altar

Verkündigungsaltar Tafelbild

Das Tafelbild des Verkündigungsaltares zeigt den Erzengel Gabriel, der sich auf einer Wolke schwebend Maria genähert hat. Er hält einen Lilienzweig in der rechten Hand. Mit der rechten Hand weisend gen Himmel. Maria nimmt die frohe Botschaft mit demutsvoller Geste entgegen. Zwischen den beiden Figuren schwebt die Taube als Zeichen des Heiligen Geistes. Darüber haben sich mehrere geflügelte Puttenköpfe versammelt. Weitere Puttenköpfe nähern sich in einem hellen Lichtstrahl.

Unter dem Tafelbild befindet sich ein Relief, dass den Besuch der Maria bei Elisabeth zeigt.  Das Relief ist in Holz geschnitzt und mit Blattgold überzogen. Es zeigt Maria mit Strahlenkranz. Vor ihr kniet Elisabeth, die drei Monate später ihren Sohn Johannes (d. Täufer) gebären wird. Neben ihnen steht Zacharias, der Gatte der Elisabeth. Über Maria haben sich in einer Wolke mehrere Engel und Putten versammelt.

Maria bei Elisabeth
Maria bei Elisabeth

Das Tafelbild auf dem Altarauszug mit der Darstellung von Marias Himmelfahrt fehlt.

Ave Maria
Ave Maria

Bekrönt wird der Altar von einem goldenen Stern, der die Grußformel des Erzengels Gabriel bei der Verkündigung wiedergibt: „Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum“ (Gegrüßt seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mir dir).

Wappen Abt Martinus Graff
Wappen Abt Martinus Graff

Unter dem Altartisch ist das Wappen des Abtes Martinus Graff zu sehen. Es trägt die Jahreszahl 1733.

Am Verkündigungsaltar stehen die Heilige Agnes (rechts) und die Heilige Caecilia (links). Agnes war eine römische Märtyrerin aus vornehmem Haus. Da sie sich standhaft zum Christentum bekannte wurde sie im frühen 4. Jahrhundert von den römischen Herrschern zum Tode verurteilt und hingerichtet. Nach der Legende erschien Agnes acht Tage nach ihrem Begräbnis ihren Eltern. An ihrer Seite ein Lamm, dass nicht nur mit ihrem Namen korrespondiert (agnus) sondern auch als Christus-Symbol von Bedeutung ist. In Neuzelle ist Agnes sehr emotional mit wehenden Gewändern und einem Lilienzweig dargestellt. Sie blickt auf die Verkündigungsszene des Altares und deutet mit der rechten Hand auf das Lamm zu ihren Füßen.

Caecilia war ebenfalls eine römische Märtyrerin, die im 3. Jahrhundert zusammen mit ihrem Gatten Valerian und dessen Bruder Tiberius Christen bei der Verfolgung durch die Römer beistanden. Dafür wurden sie verurteilt und grausam ermordet. Caecilia hält einen Palmenzweig in der Hand und blickt ebenfalls sehr bewegt auf die Verkündigungsszene. An ihrer Seite steht ein Putto, der ihr eine Orgel reicht. Seit dem 15. Jahrhundert wird die Heilige Caecilia eng mit der Kirchenmusik, insbesondere mit dem Stundengebet und dem Orgelspiel, verbunden.

Johannes-Nepomuk-Altar

Johannes-Nepomuk-Altar
Johannes-Nepomuk-Altar

Johannes von Nepomuk (um 1350-1393) war Generalvikar des Prager Erzbischofs.

Johannes von Nepomuk
Johannes von Nepomuk

Nach einer Beichte der Königin Sophia wurde er von deren Gatte König Wenzel IV. gefangen genommen und gefoltert. Doch er weigerte sich das Beichtgeheimnis preis zu geben. Schließlich wurde er in der Moldau ertränkt. Das Tafelbild zeigt ihn als Prager Domherrn in Anbetung des Kreuzes.

Beichte der Königin Sophia
Beichte der Königin Sophia

Das erste Relief zeigt Königin Sophia bei der Beichte. Doch es nahen schon die Soldaten des Königs.

Nepomuk wird ertränkt
Nepomuk wird ertränkt

Auf dem zweiten Relief ist der Tod des Nepomuk in der Moldau dargestellt. Nepomuk wurde erst 1729 heilig gesprochen, also nur wenige Jahre vor der Errichtung des Altars. Darin ist sicherlich auch die enge Bindung des Klosters Neuzelle nach Prag zu erkennen.

Nepomuks goldene Zunge
Nepomuks goldene Zunge

Das Tafelbild auf dem Altarauszug betont die Unantastbarkeit des Beichtgeheimnisses und die Standfestigkeit Nepomuks. Hier wird seine Zunge als Symbol des Beichtgeheimnisses in einer Monstranz präsentiert, die von Putten gehalten und ehrfürchtig bestaunt wird.

confessio
Psalm 95, 6

Der goldene Altaraufsatz verweist auf den 95. Psalm Vers 6: „Confessio et Pulchritudo in Conspectu Eius“ (Kommt, lasst uns anbeten und knien vor dem Herrn, der uns gemacht hat).

Zu Seiten des Nepomuk-Altars stehen die Figuren des Anselm von Canterbury (links) und Thomas Becket (rechts). Anselm (um 1033-1109) war Abt des Klosters Le Bec bei Rouen, bevor ihn König Wilhelm der Eroberer zum Erzbischof von Canterbury machte. Da er sich für die Freiheit der Kirche stark machte wurde er mehrfach verbannt, aber auch von König Heinrich I. wieder eingesetzt. In Neuzelle ist er als gelehrter Theologe mit Bischofsstab zu sehen. Ein Putto hält seine Mitra. Zu seinen Füßen liegt ein Doktorhut. Ebenso entschlossen wie Anselm agierte auch Thomas Becket (um 1118-1170) als Erzbischof von Canterbury. Auch er forderte die Unabhängigkeit der Kirche und legte sich mit König Heinrich II. an. Er wurde während des Gottesdienstes ermordet. Thomas Becket wird ebenfalls von einem Putto begleitet, der die Tatwaffe in seiner Hand hält.

Die teilweise vergoldeten Stuckfiguren sind künstlerisch von hoher Qualität. Dies gilt sowohl für die Heiligen wie für die Putten und Engel.

Kanzel und Tauf-Altar werden auf einer gesonderten Seite beschrieben.

Die Marien- und Jesus-Altäre

Die beiden Leidens-Altäre sind mit ihren gedrehten und geraden Säulen noch reicher gestaltet, als die Stifter-Altäre der zweiten Altarreihe. Sie sind aber genauso hoch. Von dem Paar Kanzel/Tauf-Altar in Richtung Hochaltar nimmt die Höhe der Altäre also wieder ab. Die Leidens-Altäre sind in den Farben Grau, Grün und Schwarz gehalten. Rosa kommt nur im Auszug und am Unterbau vor. Kapitelle, plastischer Schmuck und Reliefs sind mit Blattgold belegt. An Stelle der Tafelbilder sind im unteren Altarteil Stuckplastiken und im Auszug goldene Sterne eingefügt. Bekrönt werden die beiden Altäre von vergoldeten Tierfiguren: Dem Phönix, der aus der Asche steigt und dem Pelikan, der seine Jungen mit dem eigenen Blut nährt.

Kreuz-Altar

Kreuzaltar

Im Zentrum des Kreuz-Altars ist eine Kreuzigungsszene aufgebaut, die von Maria (links) und Johannes (rechts) begleitet wird. Unter dem Gekreuzigten ist auf einem plastisch geformten Felsen ein Totenschädel mit gekreuzten Röhrenknochen, eine Schlange und ein vergoldeter Apfel als Verweis auf den ersten Menschen Adam dargestellt. Ein Hinweis auf die Erlösung des versündigten Menschen durch den Kreuzestod Jesu. Umgeben ist das Kreuz von mehreren Putten, die die Leidenswerkzeuge der Passion (Arma Christi) gen Himmel tragen. Im Altarauszug und sogar darüber setzt sich diese Darstellung fort. Der Altar feiert somit den Triumph Jesu über das ihm zugefügte Leid. Der goldene Stern im Auszug zeigt das Christus-Monogramm. Als Symbol der Auferstehung steigt ganz oben am Altar Phönix aus der Asche.

Hinter den Säulen, die das Gebälk tragen, sind vier vergoldete Reliefs montiert.

Adam
Adam

Pietà-Altar

Pieta-Altar

Im Mittelpunkt des Pietà-Altars sitzt Maria vor dem Kreuz auf einem Felsen und hält ihren toten Sohn im Arm. Jesu Wundmale sind deutlich zu erkennen. Am Kreuz haften noch die Nägel und die Dornenkrone. Über Maria schweben weinende Putten und Engel bis hinauf in den Auszug. Der goldene Stern im Auszug zeigt als Symbol des Schmerzes ein Herz, das von einem Schwert durchbohrt ist. Als Symbol der aufopferungsvollen Hingabe sehen wir an der Spitze des Altars den Pelikan, der seine Jungen mit dem eigenen Blut nährt.

Maria Magdalena, die links am Altar steht, war eine Gefährtin Jesu, nachdem er ihr am See Genezareth sieben Dämonen ausgetrieben hatte. Sie war bei der Kreuzigung, dem Kreuzestod, der Kreuzabnahme sowie der Grablegung zugegen und fand am Ostermorgen das leere Grab, als sie den Leichnam salben wollte. Ihr zuerst erschien der auferstandene Jesus, den sie für einen Gärtner hielt, und verkündigte den Jüngern seine Auferstehung. Maria Magdalena hält einen Totenkopf in der Hand. An ihrer Seite steht ein Salbgefäß.

Rechts am Altar steht Apollonia von Alexandrien (?-249), um die sich viele Legenden ihres Märtyriums ranken. Sie wird oft mit einer Zange dargestellt, die darauf verweisen soll, dass ihr bei der Folter die Zähne ausgerissen wurden.

Hinter den Säulen, die das Gebälk tragen sind vier vergoldete Reliefs mit Szenen der Passion angebracht.

Die beiden Nebenaltäre im Osten entsprechen in ihrer Höhe wieder der ersten Altarreihe, sind aber aufwendiger gestaltet. Das Gebälk sitzt auf kanelierten Säulen (Säulen mit senkrechten Rillen) und Wandpfeilern mit Voluten. Die zentrale Figur steht in einer Altarnische. Auf dem Auszug ist ein Tafelbild montiert. Bekrönt werden die beiden Altäre von kleinen Bildern in Goldeinfassung, die wie bei den Leidensaltären eine Tiersymbolik zeigen. Die Anzahl an Putten und Engeln ist deutlich reduziert. Die Farbgebung ist in freundlichem Graublau, Rosa und Gelb gehalten. Kapitelle, Rahmungen und plastische Ornamentik (hier unter anderem auch Bandelwerk) sind wie gewohnt mit Blattgold veredelt.

Jesu-Kind-AltarJesu-Kind-Altar

In der mittleren Nische des Altars ist eine HolzfigurJesus-Kind-Altar zu sehe, die Jesu als dreijährigen Knaben zeigt. Mit Zepter und Krone steht er auf der Weltkugel. Die Weltkugel wird umwunden von der Schlange, die in ihrem Maul einen Apfelzweig fasst.

Vorbild für diese Figur war das „Prager Jesulein“, eine 45 cm große Wachsfigur, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Spanien angefertigt und seit 1555 im Karmelitenkloster Maria vom Siege in Prag aufgestellt ist. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde die Figur in Prag mit Kleidung und Krone ausgestattet. Es gibt zahlreiche Nachbildungen. Die Figur in Neuzelle ist aber die einzige, die besonders darauf hinweist, dass Jesus frei von Sünde geboren wurde.

Über dem Jesuskind ist eine kleine Kartusche angebracht, die in Scagliola-Technik erstellt wurde. Scagliola ist eine Einlegarbeit (Intarsie) aus Stuckmarmor. Es zeigt den zweischweifigen Löwen, das böhmsiche Wappentier, und soll wohl auf die Zugehörigkeit zur böhmischen Ordensregion der Zisterzienser verweisen. Die direkte Nachahmung des Prager Jesuleins ist sicherlich auch in diesem Sinn entstanden. Bekrönt wird der Altar durch eine Scagliola-Kartusche, die einen schwarzen Vogel zeigt, der ein Schild mit dem Christusmonogramm hält.

Inschrift
Inschrift

Im Auszug ist ein Tafelbild angebracht, das Christus als Hirten zeigt. Er lehnt träumend an einem Felsen, von einer Herde Lämmer umgeben. Im Hintergrund verneigen sich die Ähren. Über Jesus stehen Sonne und Mond. Unter dem Tafelbild befindet sich eine Spruchtafel: „Num Quid Rex Noster Eris – Genes. XXXVII V VIII“ (Du sollst unser König sein – Genesis 37,8).

Der Jesus-Kind-Altar wird von den Erzengeln Rafael (mit Fisch) und Uriel (mit Zaumzeug) flankiert, der Maria-Altar von Gabriel (mit Lilienzweig) und Michael (mit Flammenschwert und Waagschale). Die Waagschale Michaels wurde vor 1850 entwendet und 1985 wieder ergänzt.

Maria-Altar

Maria-Altar

Maria mit Kind
Maria mit Kind

In der Nische des Marienaltars steht eine spätgotische Madonna, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden ist und in den Barockaltar eingebaut wurde.  Bekleidung und Bekrönung sind ebenfalls barock. Je nach Kirchenjahr und Anlass wird die Madonna neu geschmückt. Die spätgotische Holzfigur zeigt Maria als schöne Frau, mit langem schwarzen Haar, feinem Gesicht und schlanker Gestalt, die von einem einfachen, unter der Brust gegürteten Kleid und einem faltenreichen Umhang bedeckt wird. In ihrem Arm hält sie den Jesusknaben.

Im Auszug ist Maria korrespondierend zum Jesu-Kind-Altar als Hirtin in einer Landschaftsidylle dargestellt. Während Jesus entspannt träumend dargestellt ist, wacht Maria aufmerksam über ihre Lämmer und weist mit der rechten Hand auf die Fülle der göttlichen Schöpfung. Maria wird hier als „Frau aus dem Volk“ präsentiert, die alltägliche Arbeiten im hier und jetzt ausführt.

Infschrift
Infschrift

Unter dem Bild ist die Inschrift „Ecce ancilla domini – Luca I V XXXVIII“ (Ich bin die Magd des Herrn – Lucas 1, 38) angebracht. Möglicherweise hat es bei dieser Inschrift eine Veränderung bei der Angabe der Bibelstelle gegeben. Darauf deuten Farbspuren hin, die Reste älterer Buchstaben bzw. Ziffern sein könnten. Zudem ist die Abkürzung Luca für den Evangelisten Lukas im deutschen Sprachraum ungewöhnlich.

Auch der Marienaltar weist zwei Scagliola-Kartuschen auf. Das untere zeigt eine Henne mit ihren Küken und das obere als Bekrönung des Altars die Taube. Es gibt auch die Interpretation, dass die Henne als Signatur des Marmorierers Caspar Hennevogel und seiner beiden Söhne Johann Wilhelm und Johann Michael zu sehen ist, der Löwe auf dem Jesu-Kind-Altar entsprechend als Signatur des Künstlers Wenzel Löw. Damit würden diese beiden Hauptkünstler der zweiten barocken Ausgestaltung allerdings eine außergewöhnliche Präsenz für sich beanspruchen.

 

Der Hauptaltar wird auf einer gesonderten Seite beschrieben.

Abgerundet wird das Altarprogramm durch die Seitenkapelle, die dem Heiligen Joseph geweiht ist.

4 Kommentare zu „Die Nebenaltäre der Stiftskirche

  1. Ich war im August anlässlich einer Radtour in Neuzelle.
    Was hat es mit dem Bild auf sich, wo in einem ovalen Rahmen Europa und der Stier abgebildet sind?
    Gruß, ja Richter-Hillejan aus Köln

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    1. Auf dem großen Begrüßungsbild in der Vorhalle sind die damals (1730) relevanten Kontinente dargestellt: Europa, Asien, Afrika und Amerika. Australien war zwar schon entdeckt, spielte aber noch keine Rolle. Die Kontinente werden auf dem Bild durch vier Frauen personifiziert. Auf den Schilden ist der Name des Kontinentes zu lesen und ein passendes Tier zu sehen: Stier, Kamel, Elefant und vermutlich ein Krokodil.

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  2. Seit unserem gestrigen Besuch fragen wir uns, wessen Knochen im Glaskasten des Jesu-Kind-Altars zu sehen sind und auch warum. Das Internet gibt uns dazu keine Auskunft. Können Sie uns bitte helfen?

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