Vanettis Wandfresken

Im ersten Joch sind die beiden oberen Wandfesken Vanettis durch die nachträglich eingebauten Altäre seitlich etwas beschnitten. Im nördlichen Seitenschiff wird der Sturm auf dem Meer dargestellt, der Jesus nicht aus der Ruhe bringen konnte (Matthäus 8,23-27). Das Fresko im südlichen Seitenschiff zeigt, wie Jesus bei einem Gang mit Petrus, Jakobus und Johannes in einen hellen Lichtstrahl getaucht wird. Ihm erscheinen Mose und Elia und aus der gleißenden Wolke ertönt eine Stimme: „Dies ist mein Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!“ (Matthäus 17,1-8).

Nach Matthäus 9, 18-26 sprach sich im ganzen Land herum, dass Jesus die Tochter des Jairus wieder zum Leben erweckt und eine kranke Frau geheilt hat. Zur Frau aber sprach er: „Sei getrost, meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen.“ Im südlichen Seitenschiff ist die bekannte Szene von Jesus und der Ehebrecherin zu sehen. Als gefordert wird, sie zu steinigen, spricht Jesus: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“ (Johannes 8, 1-11). Jesus schreibt etwas mit dem Finger in die Erde. „Denn, Herr, du bist die Hoffnung Israels. Alle, die dich verlassen, müssen zu Schanden werden, und die Abtrünnigen müssen in die Erde geschrieben werden, denn sie verlassen den Herrn, die Quelle des lebendigen Wassers.“ (Jeremia 17,13).

Im dritten Joch sind der reiche Fischfang (Lukas 5,1-112) und die Auferweckung des Lazarus (Johannes 11,1-44) zu sehen. Die Erweckung des Lazarus wird in der christlichen Kunst oft dargestellt, da diese Szene als vorausdeutende Geschichte zur Auferstehung Jesu verstanden wird. Zudem leitete diese Wundertat die Passion ein, da sie als Vorwurf gegen Jesu und Grund für seine Verhaftung verwendet wurde. Der reiche Fischfang führt bei Simon Petrus, Jakobus und Johannes zu großem Erschrecken. Doch Jesus spricht: „Fürchte dich nicht! Denn von nun an wirst du Menschen fangen.“ („Das Himmelreich gleicht einem Netze, das ins Meer geworfen ist, womit man allerlei Gattungen fängt. Wenn es aber voll ist, so ziehen sie es heraus an das Ufer, sitzen und lesen die guten in ein Gefäß zusammen, aber die faulen werfen sie weg. Also wird es auch am Ende der Welt gehen: die Engel werden ausgehen und die Bösen von den Gerechten scheiden.“ Matthäus 13,47).

Im Gespräch mit Nikodemus äußert Jesus die bekannten Worten: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn selig werde. […] Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse. Wer Arges tut, der hasst das Licht, auf dass seine Werke nicht gestraft werden. Wer aber Wahrheit tut, der kommt an das Licht, dass seine Werke offenbar werden, denn sie sind in Gott getan.“ (Johannes 3, 1-21). Im Anblick der Stadt Jerusalem prophezeit Jeus: „So alsdann jemand zu euch wird sagen: Siehe, hier ist Christus! oder : da! so sollt ihr’s nicht glauben. Denn es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder tun, dass verführt werden in den Irrtum auch die Auserwählten.“ (Matthäus 24,15-25).

Im fünften Joch sehen wir Jesus mit der Samariterin am Brunnen (Johannes 4, 1-42) und bei der Fußwaschung vor dem letzten Abendmahl (Johannes 13,1-20). Die Fußwaschung entspricht einem alten orientalischen Höflichkeitsbeweis. Jesus tat diesen Dienst an den Jüngern als Akt der Demut, zu dem er sie damit untereinander verpflichtete, und als Zeichen der Sündenvergebung. Die Fußwaschung nahm später liturgischen Charakter an und spielte gerade bei den Zisterziensern eine größere Rolle. Das Gespräch, das Jesus mit der Samariterin führt, dreht sich um die Verinnerlichung des Glaubens: „Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser [dem Wasser aus dem Brunnen] trinkt, den wird wieder dürsten. Wer aber von dem Wasser trinken wird, dass ich ihm gebe, dem wird ewiglich nicht dürsten; sondern das Wasser, dass ich ihm geben werde, das wird in ihm ein Brunnen des Wassers werden, dass in das ewige Leben quillt.“

Die Austreibung der Händler aus dem Tempel wird bei Matthäus 21,12-17 beschrieben. „Und Jesus ging zum Tempel Gottes hinein und trieb heraus alle Verkäufer und Käufer im Tempel und stieß um der Wechsler Tische und die Stühle der Taubenkrämer und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben: Mein Haus soll ein Bethaus heißen. Ihr habt eine Mördergrube daraus gemacht.“ Jesus bezieht sich hierbei auf Jeremia 7,9-11: „Daneben seid ihr Diebe, Mörder, Ehebrecher und Meineidige und räuchert dem Baal und folgt fremden Göttern nach, die ihr nicht kennt. Danach kommt ihr dann und tretet vor mich in diesem Hause, dass nach meinem Namen genannt ist, und sprecht: Es hat keine Not mit uns, weil wir solche Gräuel tun. Haltet ihr denn dieses Haus, dass nach meinem Namen genannt ist, für eine Mördergrube?“ Im südlichen Seitenschiff hat Vanetti eine Szene aus der Passion gemalt: Während Jesus in Todesahnung am Ölberg betet schlafen seine Jünger (Matthäus 26,36-46).

Im siebten Joch sind die Versuchung Jesu (Matthäus 4,1-11) und die Geißelung Jesu (Matthäus 27,27-31 und Markus 15,15) dargestellt. Nachdem Jesus vierzig Tage und Nächte in der Wüste gehungert hatte, trat der Versucher zu ihm und sprach: „Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass alle Steine Brot werden.“ Damit möchte er Jesus verleiten, seine Kräfte zum eigenen Nutzen einzusetzen. Jesus antwortet: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, dass durch den Mund Gottes geht.“ Nach römischen Recht wurde vor der Kreuzigung eines Verurteilten eine Geißelung durchgeführt. Matthäus und Markus berichten, dass Jesus direkt nach seiner Verurteilung von den römischen Soldaten misshandelt wurde. Bei Johannes heißt es hingegen, dass die Folterung schon während des Verhörs stattfand.

An der Westwand wird der zwölfjährige Jesus im Tempel (Lukas 2, 41-50) der Dornenkrönung (Matthäus 27,27-31) gegenüber gestellt. Im Alter von zwölf Jahren begleitete Jesus seine Eltern zum Passahfest nach Jerusalem, trennt sich dann aber von ihnen und nahm am Gesetzesunterricht im Vorhof des Tempels teil.  Durch seine verständigen Fragen und Antworten erregte er die Aufmerksamkeit der Schriftgelehrten. Vanettis Fresko basiert, wie vielfach in der christlichen Kunst, auf eine Erweiterung der Geschichte in dem nicht im biblischen Kanon aufgenommenen Thomasevangelium aus dem späten zweiten Jahrhundert: Der zwölfjährige Jesus wird als Lehrer dargestellt, der auf einer Kathedra sitzt und mit erhobenem Zeigefinger die Schriftgelehrten belehrt. Die Dornenkrönung ist fast identisch komponiert: Auch hier sitzt Jesus in der Mitte, wird aber (aufgrund einer Provokation durch Pilatus) von den Folterknechten als „König der Juden“ verspottet.